Offener Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu der irreführenden Berichterstattung der Polizei in Bayern

Die Dialogplattform „Was Ist Eine Frau?“ setzt sich weiterhin für die geschlechtsbasierten Rechte von Frauen und Mädchen ein. In unserem offenen Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordern wir Transparenz in der Polizeiberichterstattung, um die Wahrheit über schwere Straftaten klarzustellen.
Wir kritisieren die irreführende Darstellung des Geschlechts männlicher Tatverdächtiger in Pressemitteilungen der bayerischen Polizei. Anhand zweier Fälle – einer Vergewaltigung in Ludwigsvorstadt (2024) und eines versuchten Mordes in Milbertshofen (2025) – zeigen wir, wie irreführende Formulierungen Verwirrung stiften, das Vertrauen in die Polizei untergraben und die Wahrnehmung von Frauen als potenzielle Täterinnen verzerren.
Dies kann die geschlechtsspezifische Realität von Gewalt relativieren und die Debatte über Gewalt gegen Frauen erschweren. Wir fordern eine klare, faktenbasierte Kommunikation des Geschlechts in Polizeimeldungen, die Offenlegung interner Richtlinien und einen Dialog mit der Öffentlichkeit, um Transparenz und Vertrauen zu fördern. Unterstützen Sie uns in unserem Einsatz für die Rechte von Frauen und Mädchen – lesen Sie den vollständigen Brief und beteiligen Sie sich an der Diskussion!
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Offener Brief an den bayerischen Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, Joachim Herrmann
Datum: 19. August 2025
Betreff: Forderung nach transparenter Kommunikation in Pressemitteilungen der bayerischen Polizei zur Darstellung des Geschlechts von Tatverdächtigen
Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann,
Die Dialogplattform „Was Ist Eine Frau?“ setzt sich für die geschlechtsbasierten Rechte von Frauen und Mädchen ein und fördert einen offenen, faktenbasierten Dialog, um Bestrebungen, diese Rechte zu beeinträchtigen, entschieden entgegenzutreten. Wir wenden uns an Sie in Ihrer Funktion als oberste Aufsichtsbehörde der Bayerischen Polizei, um unsere Besorgnis über die Praxis der Darstellung des Geschlechts in Pressemitteilungen der Polizei zu äußern. Insbesondere kritisieren wir die unklare oder irreführende Darstellung des Geschlechts von männlichen Tatverdächtigen, die in zwei konkreten Fällen zu Verwirrung und einem Vertrauensverlust in die Polizei geführt hat.
Fall 1: Vergewaltigung in Ludwigsvorstadt
In der Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München vom 06.12.20241 wird über die Festnahme einer „33-Jährigen brasilianischen Staatsbürgerin“ berichtet, die in Ludwigsvorstadt einen 60-jährigen Mann vergewaltigt und gegen das Prostitutiertenschutzgesetz verstoßen haben soll. Die Formulierung erweckt den Eindruck, dass es sich um eine weibliche Person handelt. Erst durch Medienberichte, etwa der tz2 und der Süddeutschen Zeitung3, wird deutlich, dass die tatverdächtige Person männlich ist.
Fall 2: Versuchter Mord in Milbertshofen
In der Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München vom 05.05.20254 wird über die Festnahme einer „41-jährigen Person“ berichtet, die in einem Bordellbetrieb in Milbertshofen einen 33-jährigen Mann mit einem Messer schwer verletzt haben soll. Die geschlechtsneutrale Formulierung „Person“ verschweigt das männliche Geschlecht. Ein Artikel der Zeit5 klärt, dass es sich um eine männliche Person handelt. Der männliche Tatverdächtige befindet sich laut Auskunft der Staatsanwaltschaft München I in einer Haftanstalt für Männer.
Kritik an der Praxis
Die Praxis, das Geschlecht von Tatverdächtigen in Pressemitteilungen nicht klar zu kommunizieren, führt zu mehreren Problemen:
- Verwirrung in der Öffentlichkeit:
Die unklare Darstellung des Geschlechts von Tatverdächtigen und Tätern erweckt falsche Eindrücke – insbesondere bei schweren Kriminalfällen wie Vergewaltigung oder versuchtem Mord, bei denen das Geschlecht für die Einschätzung der Sicherheitslage relevant ist. - Vertrauensverlust:
Die Nichtnennung des Geschlechts erweckt den Eindruck, dass die Polizei bewusst Informationen zurückhält, was das Vertrauen der Bürger in die Transparenz der Polizeiarbeit untergräbt. - Gesellschaftliche Auswirkungen auf Frauen:
Die irreführende Darstellung männlicher Täter als „Frauen“ kann schwerwiegende Folgen für Frauen in der Gesellschaft haben. Wenn schwere Straftaten wie versuchter Mord oder Vergewaltigung fälschlicherweise Frauen zugeschrieben werden, kann dies dazu führen, dass die Wahrnehmung von Frauen als potenzielle Täterinnen verzerrt wird. Insbesondere Sexualstraftaten, die statistisch überwiegend von Männern begangen werden (laut Strafverfolgungsstatistik 2023 des Bayerischen Justizministeriums sind 98 % der Verurteilten wegen Vergewaltigung männlich), könnten durch solche Berichterstattung relativiert werden. Dies birgt die Gefahr, dass Argumente wie „Frauen begehen ebenso viele schwere Straftaten“ oder „Frauen sind auch zunehmend gewalttätig“ instrumentalisiert werden, um die geschlechtsspezifische Realität von Gewalt zu verdrehen. Eine solche Verzerrung kann die gesellschaftliche Debatte über Gewalt gegen Frauen erschweren und die Entwicklung präventiver Maßnahmen behindern. - Misstrauen gegenüber korrekten Meldungen:
Die wiederholte Praxis irreführender Geschlechtsdarstellungen führt dazu, dass die Öffentlichkeit Pressemitteilungen der Polizei über Straftaten, die angeblich von Frauen begangen wurden, grundsätzlich misstraut. Insbesondere bei schweren Straftaten, die für Frauen statistisch selten sind, entsteht der Eindruck, dass es sich in Wahrheit um männliche Täter handelt, die fälschlicherweise als Frauen dargestellt werden. Dieses Misstrauen bleibt bestehen, selbst wenn die Polizei in solchen Fällen korrekt über das Geschlecht berichtet, und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Polizeikommunikation insgesamt. Bürger könnten dazu neigen, Meldungen über weibliche Täter pauschal anzuzweifeln, was die öffentliche Wahrnehmung von Kriminalität verzerrt und das Vertrauen in die Polizei weiter schwächt. - Fehlende Klarheit über die Häufigkeit:
Ohne öffentlich zugängliche Daten bleibt unklar, wie oft die bayerische Polizei männliche Täter als „Frauen“ oder geschlechtsneutral beschreibt. Dies erschwert eine objektive Bewertung der Praxis und nährt Spekulationen über deren Umfang.
Die öffentliche Debatte zeigt eine wachsende Frustration über solche Formulierungen, da sie als unzureichend transparent wahrgenommen werden. Wir teilen die Ansicht vieler Bürger, dass die Polizei in ihrer Kommunikation klar und faktenbasiert auftreten sollte, um Missverständnisse zu vermeiden und das Vertrauen in die Institution zu stärken.
Unsere Forderungen
Im Namen der Dialogplattform „Was Ist Eine Frau?“ fordern wir:
- Transparente Kommunikation:
Die Bayerische Polizei sollte in ihren Pressemitteilungen das Geschlecht von Tatverdächtigen klar angeben, insbesondere in Fällen schwerer Kriminalität. Falls eine sogenannte „Transidentität“ relevant ist, sollte diese ebenfalls erwähnt werden. Es reicht nicht aus, wenn die Polizei das männliche Geschlecht durch Formulierungen wie „Transfrau“ offenbart, da viele Bürger, denen derartige Begriffe unbekannt sind, annehmen, es handele sich um eine Person weiblichen Geschlechts. - Veröffentlichung von Richtlinien:
Das Bayerische Staatsministerium des Innern sollte die internen Vorgaben zur Darstellung des Geschlechts in Pressemitteilungen offenlegen, um Klarheit darüber zu schaffen, warum geschlechtsneutrale oder irreführende Formulierungen verwendet werden. - Analyse der Praxis:
Eine systematische Überprüfung der Pressemitteilungen der Bayerischen Polizei sollte klären, wie oft männliche Täter als „Frauen“ oder geschlechtsneutral dargestellt wurden, um das Ausmaß dieser Praxis zu bewerten. - Dialog mit der Öffentlichkeit:
Wir fordern einen offenen Austausch mit der Bayerischen Polizei und Ihrem Ministerium, um die Bedenken insbesondere von Frauen zu adressieren und Lösungen zu erarbeiten, die Transparenz und Vertrauen fördern.
Die Bayerische Polizei genießt einen hervorragenden Ruf, doch Transparenz in der Kommunikation ist entscheidend, um dieses Vertrauen zu erhalten. Insbesondere die irreführende Darstellung von Geschlecht in Pressemitteilungen kann nicht nur Verwirrung stiften, sondern auch gesellschaftliche Debatten über Gewalt und Sicherheit verzerren, mit besonderem Schaden für die Wahrnehmung von Frauen und die Glaubwürdigkeit der Polizeiarbeit. Wir bitten Sie, Herr Innenminister, die genannten Fälle und die zugrunde liegende Praxis zu prüfen und Maßnahmen zu ergreifen, die eine klare und wahrheitsgemäße Berichterstattung sicherstellen. Gerne stehen wir für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung, um gemeinsam Lösungen zu finden, die dem Bedürfnis nach Transparenz gerecht werden.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und erwarten Ihre Stellungnahme zu diesem Anliegen.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Frauen der Dialogplattform "Was ist eine Frau?"
Antwort der Pressestelle des Polizeipräsidiums München vom 19. September 2025
Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19. August 2025, in der Sie die Darstellung des Geschlechts von tatverdächtigen Personen in zwei Pressemeldungen der Polizei München thematisieren. Da die Pressemeldungen durch die Pressestelle des Polizeipräsidiums München erstellt wurden, hat uns das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gebeten, Ihnen zu antworten.
Bei der Erstellung unserer täglichen Pressemeldungen ist es für uns als Pressestelle der Polizei München von höchster Bedeutung, die berichteten Ereignisse möglichst transparent und nachvollziehbar sowie zeitnah darzulegen. Hierbei ist uns größtmögliche Genauigkeit und begriffliche Klarheit besonders wichtig. Dies insbesondere auch im Bewusstsein des Vertrauens, das die Bevölkerung in ihre Polizei hat. Gleichwohl sind wir als Polizei verpflichtet, Objektivität zu wahren sowie die Persönlichkeitsrechte Betroffener zu achten.
Bei der Polizei München werden beteiligte Personen in der Berichterstattung entsprechend den Vorgaben des Selbstbestimmungsgesetzes grundsätzlich dem Geschlecht zugeschrieben, das im jeweils aktuell vorliegenden Ausweisdokument und damit im jeweiligen Vorgangsakt erfasst ist. Eine Zuordnung zu einem etwaigen abweichenden biologischen Geschlecht kann in der Regel nicht erfolgen.
Bei augenscheinlich deutlicher Abweichung des äußeren Erscheinungsbildes der beteiligten Person vom verzeichneten Geschlecht, kann im Sinne einer nachvollziehbaren Schilderung im Einzelfall von der o.g. Vorgehensweise abgewichen und eine neutrale oder beschreibende Bezeichnung verwendet werden. Dies kann u.a. bei Vorfällen zutreffen, die öffentlich wahrnehmbar waren, um in der Öffentlichkeit, z.B. bei Bürgern, die als Zeugen den Vorfall beobachteten, keine Verwirrung über den Sachverhalt zu erzeugen. Auch bei Zeugenaufrufen nach einer flüchtigen, unbekannten tatverdächtigen Person, die ggf. als männlich verzeichnet sein könnte, zum Zeitpunkt der Tatausführung aber ein weibliches Erscheinungsbild aufwies, wird von o.g. Vorgehensweise abgewichen. Eine eindeutige Nennung des Geschlechts ist daher nicht in jedem Fall möglich.
Die von Ihnen angeführten Meldungen Nr. 1934 vom 06.12.2024 sowie Nr. 696 vom 05.05.2025 haben wir auf Ihren Hinweis hin geprüft. Unter Verweis auf die oben angeführten Grundsätze unserer Berichterstattung dürfen wir Ihnen versichern, dass hier die jeweils zutreffenden Bezeichnungen der Beteiligten nach der aktuellen Gesetzeslage verwendet wurden. Die Polizei muss sich als Teil der Exekutive an Recht und Gesetz halten.
Uns ist bewusst, dass dergleichen gelagerte Sachverhalte besonderer Sensibilität in der Berichterstattung bedürfen, um die Umstände des Geschehens auch für Unbeteiligte möglichst nachvollziehbar darlegen zu können. Auf eine transparente und korrekte Schilderung wird deshalb stets größter Wert gelegt.
Hierzu zählt immer auch die objektive zahlenmäßige Darstellung von männlichen und weiblichen Tatverdächtigen. Die Aufschlüsselung, auch für einzelne Deliktsarten, erfolgt im Rahmen der Erfassung in der polizeilichen Kriminalstatistik. Eine Veröffentlichung der Zahlen erfolgt einmal jährlich.
Die Daten zur polizeilichen Kriminalstatistik für Bayern sind öffentlich einsehbar. Sie finden Sie unter: https://www.polizei.bayern.de/kriminalitaet/statistik/index.html
Ich hoffe, wir konnten Ihnen mit unseren Darlegungen weiterhelfen und wir hoffen, dass wir Ihr Vertrauen in die polizeiliche Arbeit, über das wir uns sehr freuen, wieder stärken konnten.
Quellen:
- Meldung 1934, verfügbar unter: https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressemitteilungen/077152/index.html ↩︎
- https://www.tz.de/muenchen/stadt/hallo-muenchen/vergewaltigung-in-muenchen-polizei-nimmt-trans-prostituierte-fest-freier-person-polizei-93453977.html ↩︎
- https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-polizei-prostitution-lux.E924WL3K5iSra41UwHSWZS ↩︎
- Meldung 696, verfügbar unter: https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressemitteilungen/084521/index.html ↩︎
- https://www.zeit.de/news/2025-05/05/messerstich-in-bordell-mann-schwer-verletzt ↩︎
[…] Antwort auf unseren offenen Brief an den bayerischen Innenminister […]